Montag, 26. September 2016

Das Spielleiter-Ego und das Thema Verzicht

Ich verfolgte seit Längerem und immer wieder mit unterschiedlichen, aber zumeist negativen Emotionen, wie unterschiedlich Spielleiter sein können.
Während die einen für die Spieler arbeiten und aus deren Begeisterung und Forderung nach mehr ihren Lohn ziehen, wird doch über die Jahre mehr und mehr ersichtlich, wie stark das Ego der Leute eine Rolle spielt.

Die männliche Form wird hier verwendet, da sie nunmal die traditionelle Persona ist. Glaubt mir, Frauen können auch Arschlöcher sein.

Also los - was passiert, wenn das Ego des Spielleiters überhand nimmt - ...
Es gibt sicherlich unterschiedlichste Fälle, in denen man im PnP und im Larp auf Spielleiter trifft. Sie organisieren zumeist die Events oder wenigstens ihre Spielrunde - es gibt also fairerweise eigentlich kein Vorbeikommen an den denselben. Was ich seit jeher auch gut so finde. Es ist eine ungemein miese Überraschung, plötzlich einen Charakter, vielleicht sogar Spieler anwesend zu haben, den man nicht kennt. Also nicht kennt, wie in "keiner weiß, wo der auf einmal herkam". Nicht zu reden von Personen, die echte Geduldsprüfungen sind. Aber davon vielleicht ein andermal.

Nun sind Spielleiter für das Spiel verantwortlich. Gerade als Veranstalter tragen sie eine ungemeine Menge an Verantwortung, und das nicht nur im moralischen Sinne. Auch die rechtliche Seite darf nicht unbeachtet bleiben - sie haften im Zweifel für Schäden und Probleme auf gesetzlicher Ebene. Der Plot, also die Geschichte, kann dagegen wie ein Kinderspiel wirken, das es dennoch nicht ist. Reaktionen müssen abgewogen und das Verhalten der Spielwelt entsprechend überlegt werden. Spannungsbögen, Balancing und dergleichen sind nur ein paar der Faktoren, die in Betracht kommen, für das Gesamtevent Probleme zu machen.
Gleichzeitig sind sie der Gefahr des Scheiterns ausgesetzt, ebenso wie der Kritik ihrer Umgebung. Diese Kritik wird (zu) oft nicht offen geäußert, sondern verschwindet gerne im Versuch, den Spielleiter wohlwollend zu stimmen. Immerhin hat er doch einiges an Macht, wenn es um das Spielerlebnis geht. Und irgendwie will man unter Freunden und Bekannten dann doch den Frieden halten.

Spielleiter sind also gezwungen, von vornherein eine gewisse Stabilität und Stressresistenz mitzubringen. Sie müssen Freunde abweisen und eher unangenehme Zeitgenossen freundlich behandeln können. Sie müssen zeit- und situationskritische Entscheidungen treffen und stehen dabei - richtig - unter Stress. Resilienz, also die Fähigkeit, dem Stress zu widerstehen, kann man zwar lernen, aber der Prozess dauert seine Zeit.
Die Leiter müssen sich im Grunde an allen Fronten behaupten können, und das erfordert, genau:
Selbstbewusstsein.
Ego.

Ist ergo alles andere als schlecht, ein großes Ego zu haben.
Bedauerlicherweise, und das schreibe ich so, denn ich finde es bedauerlich, gibt es da eine Schwierigkeit: Entweder eine Person wird durch ihre Fähigkeiten zum Spielleiter oder durch ihr großes Ego. (Grauzonen lasse ich hier aus - es hat sich in meinem Bekanntenkreis immer wieder bestätigt, dass großes Ego und Sozialkompetenzen mit Kreativität und konstruktivem Handeln kombiniert eine sehr seltene Erscheinung sind. Was nicht heißt, dass es sie nicht gibt. Solche Leute sind großartig!)

Der verbreitete Regelfall scheint jedoch zu sein, dass diejenigen, die sich nach vorne drängen und sich für den Posten regelrecht mit aller Macht bewerben, sicherer in eine solche Position kommen, während die eher "schwachen" Kreativen häufig als Team dahinter stehen.
Und hier beginnt das Problem erst richtig zu wirken.
Während nun das erfolgsorientierte Ego entgegen aller Kritik nach vorne strebt, wird es Niederlagen erleiden. Die meisten Menschen, die mit einem großen Selbstbewusstsein gesegnet sind, werden nun auf die Dauer feststellen müssen, dass sie so oder so in den Augen ihrer Spieler immer die "grausamen Götter" bleiben. Jeder Spielleiter muss auf die Dauer unpopuläre Entscheidungen treffen, meistens zugunsten anderer Spieler. Wird dieses Gefühl durch enge Freundschaften und Vertrauensverhältnisse abgemildert, kann das wunderbar funktionieren.
Problematisch wird es dann, wenn entweder der Spieler zunehmend feststellen muss, dass er auf der Strecke bleibt und zurückstecken muss. Oder wenn das Ego des Leiters Oberwasser gewinnt.

Jedes Ego, jede Persönlichkeit, besitzt eine Zentrierung auf sich selbst. Je nachdem, wie stark das Selbstbewusstsein und andere Mechanismen funktionieren, ist diese Zentrierung mal mehr oder weniger stark ausgeprägt. Großes Ego bedeutet jedoch auch oft starke Fokussierung auf sich selbst. Gerade dieser Fokus aber ist etwas, das im spielerischen Miteinander, insbesondere beim "grausamen Gott" namens Spielleiter eine ungeahnte Dynamik entwickeln kann.

Der Ärger fängt aber hier erst richtig an. Denn wenn das Ego des Leiters aus dem Ruder läuft, wird es für den Leiter einfacher.
Wer wird das Problem lösen, das im Spiel auftritt: Die SL.
Wer hat den Aufstieg verdient, weil er am härtesten gearbeitet hat: Der Spielleiter.
Es ist völlig gleichgültig, ob der Gedanke konkret gedacht ist oder unbewusst - er ist berechtigt. Die Arbeit, die ein Spielleiter in diesen ganzen Unsinn steckt, verlangt nach einer Art Gegenleistung. Problematisch nur, dass diese niemals aus dem Hintergrund des Spiels selbst kommen kann. Die Spieler derart zu benachteiligen ist eigentlich für den Spielleiter ein NoGo. Wo aber sonst sollen der Lohn über das übliche Lob und vielleicht ein paar übriggebliebene Euro aus einer guten Kalkulation hinaus kommen? Reich wird man in diesem Hobby üblicherweise nicht.

Machen wir uns bewusst: Spielleiter stecken eine Menge harte Arbeit in das Spiel, für die sie nicht unmittelbar belohnt werden. Genau genommen werden sie oft dafür noch bestraft, in Form von mehr Arbeit und/oder Kritik.
Ein Spielleiter wird gezwungenermaßen dazu neigen, sich eine Belohnung zu suchen, in welcher Form auch immer. Seine Verantwortung aber - und in meinen Augen ist das eine der härtesten Charakterprüfungen des Spielleiterdaseins - im Rahmen des Spiels ist:
Darauf zu verzichten.

Das ist hart.
Und unfair.

Aber normal.

Und nicht Teil der Jobbeschreibung. In der steht nämlich nur "großartige Ideen und unnachahmliches Teamgefühl, sei unbestrittener Chef für einen Tag oder länger". Hier findet sich nichts über nächtelange Planungen und durchdiskutierte Wochenenden. Da steht nichts davon, dass man sich gegenseitig über Kleinigkeiten erwürgen wollte. Selten sagt einem jemand, dass hier Arbeit, Verantwortung und die Versuchung zu moralischen Katastrophen wartet.
Ich kenne viele Spielleiter, die dieser Versuchung nicht widerstanden haben. Mich selbst in gewissen Sachen eingeschlossen.

Als Leitung steht man dem Spiel nie neutral gegenüber. Man schenkt stets sein eigenes Konstrukt her und hofft, dass es den Mitspielern gefällt, ihre Kreativität anregt und Motivation gibt, mit dem Konstrukt zu spielen. Umso härter wird es mit jedem Mal, in dem man sich in den Vordergrund bringen könnte. Wenn man nur den Spielern erklären könnte, wie man sich das gedacht hat, und ihnen dabei klarmachen könnte, wie schön das Endergebnis wird. Wie viel könnte man erreichen! Wie viel verspricht die Option darauf, auch die höchsten Weihen zu erhalten.
Hier kommt dann aber wieder die Verantwortung ins Spiel - eine moralische Verpflichtung:
Gibt man der Versuchung nach, zerstört man das Spiel für andere. Übernimmt man selbst die tragende Rolle, verwehrt man anderen die Chance darauf, etwas zu bewirken. Einzelne Gruppen und ganze Chroniken haben sich aufgrund solcher Machtkonflikte aufgelöst.

Aber, und das muss man deutlich sagen:
Es gibt keine ideale Spielleitung - denn das wäre ein Mensch ohne Ego und gleichzeitig mit der Charakterstärke des idealen Richters. Vielleicht wirklich so etwas...
wie ein grausamer Gott.

;)

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