Montag, 29. April 2013

Spielbericht - Was bei Tag geht, geht auch bei Nacht.


Das Gutshaus Gantikow, Teil der sogenannten Offenen Häuser, befindet sich im Raum Kyritz, für die weniger nördlichen wie mich grob Richtung Berlin.
Das Haus ist, wie man auch auf den Bilder auf deren Homepage sehen kann, ein wunderschönes, altes Gebäude mit Garten. Es ist liebevoll und detailliert bemalt, so dass die Mär herumging, es sei von einem Einsiedler bewohnt gewesen, der schließlich verrückt wurde. Zwar sind die Bedingungen für die Miete etwas streng, das macht allerdings das Ambiente um Längen wieder wett.
Es lohnt sich, dort mal vorbei zu schauen oder ein paar Nächte zu verbringen.

Warum erkläre ich das alles und was zur Hölle hat das mit der Überschrift zu tun?

Das ist eigentlich ganz simpel. Ich habe hier ja bereits von meiner Leidenschaft des Live-Rollenspiels erzählt. Einer der ersten Berichte spielte sich hauptsächlich des Tages und in einer Herr-der-Ringe ähnlichen Fantasy-Welt ab. Solche Events finden auch als aufeinander aufbauende Serien mehrmals im Jahr statt und sind jedesmal ein Highlight.
Nun gibt es allerdings noch weitere Genres. Eines davon: Vampire: The Masquerade.
Ursprünglich ein System für Tisch-Spiele gibt es auch eine Live-Variante davon und es trafen sich bei uns in Gantikow rund 60 Personen, um gemeinsam zu spielen und Spaß zu haben. Wie der Name schon sagt: Es geht um Vampire. Normalerweise handelt es sich um einfache Abende, doch dieses Mal hatten wir ein Haus, ein Wochenende und Leute aus ganz Deutschland.

Bilder kann ich bis auf die Einzelportraits von mir leider aktuell keine zeigen, da die Bilder im Interesse der Fotografierten geschützt sind.
Aber ich bemühe mich, für euch die Atmosphäre solcher Events auferstehen zu lassen:

Wie immer – hätte uns jemand „normales“, also außenstehendes, dort beobachtet, wäre er durchaus zu dem Schluss gekommen, dass sich dort irgend etwas seltsames abspielt. Tagsüber ein Haufen leicht zerstörter, übermüdeter Typen, die sich fröhlich unterhalten – abends eine Ansammlung von Horrorgestalten, Ladys und Gentlemen.

Leicht zerstört und übermüdet deswegen, weil wir allgemein erst am Freitag anreisen konnten und es beispielsweise für uns Regensburger einfach sechs Stunden Fahrt bedeutete. Andere kamen noch später, weil sie bis mittags arbeiteten. Wenn man sich nun überlegt, dass die Nacht hindurch, bis ca, 4 Uhr morgens gespielt wurde, das Frühstück in Gemeinschaftsarbeit allerdings um 9 Uhr begann, kann sich vorstellen, wie viel Schlaf wir bekommen haben.
Aber wir alle wissen: Letzten Endes unterstützt es nur den „untoten“ Eindruck.

Denn die Vampire dieses Genres sind nicht nur einfache Blutsauger, sie sind auch Intriganten, Monster, Politiker... organisiert in einem Verband, im Großen und Ganzen nur regiert von sechs einfachen Regeln – deren Bruch allerdings „Kopf runter“ bedeuten kann.
So bewegt man sich auf einem unsicheren Pflaster so zwischen diesen ganzen Leuten, und da dieses Event buchstäblich nur für die Mächtigen und Alten gedacht war, auf einem gewissermaßen explosiven noch dazu.

Und da haben wir die Ladys – in Abendkleidern und mit Schmuck, dass es nur so glitzert, mit unverschämten Ausschnitten und in hohen Schuhen -
da haben wir die Gentlemen – im Frack oder im einfachen Anzug, im Gehrock, mal mit Pfeife, mal mit Zigarre, aber selten ohne Gehstock -
da haben wir die Horrorgestalten – verformte Masken und lange Nasen, Fell und Federn im Gesicht und mit furchterregenden Klauen -
Alle in einem Haus mit Garten, eingesperrt durch die Maßgabe des Gastgebers, kein Blut zu vergießen außer im Ehrenduell.

Dass bei diesem Kostümaufwand kurz vor dem „Time-In“, dem offiziellen Beginn des Spiels, Panik ausbricht, war zu erwarten und auch diesmal wieder der Fall. Immerhin, der guten Organisation unserer Küchenchefin hatten wir zu verdanken, dass alle, die wollten, etwas zu essen bekamen. Außerdem hatte die Leitung des Events dafür gesorgt, dass die Öfen gut geheizt waren – etwas zu gut für den Geschmack einzelner, aber was solls.
Letzten Endes waren wir glücklich, wie es wohl Garfield gewesen wäre, nach einer guten Portion Lasagne auf dem Fernsehsessel.

Keine gute Startphase für solch ein Spiel ;)
Scherz beiseite, allein bei den Begrüßungen ergibt die Spiel-Etikette einen Rahmen, der das Szenario weit mehr als nur unterstützt. Verbunden mit einem solchen alten, doch irgendwie surrealen Haus war es ein interessantes Spielerlebnis. Ich weiß nicht, wie oft ich draußen stand, auf jemanden wartete und mich nicht wirklich langweilte, weil ich das Haus betrachtete.

Dementsprechend flogen die Fetzen. Beileibe nicht immer offensichtlich und direkt so, dass man annehmen könnte, es gäbe gleich Tote. Aber manches Wortgefecht, ruhig und scheinbar sachlich geführt, konnte einem die Nackenhaare aufstellen allein durch seine Bedeutung.

Noch blieb es recht ruhig, bis auf ein paar kleinere Wortgefechte.
Doch der nächste Tag wartete schon. Mit Spätzleschaben, einem Spielleiter im Baum, Wäschekörben voll Salat und der bekannten Panik kurz bevor es wieder los geht.
Bemerkenswert: Vermutlich alle haben sich vegetarisch ernährt an diesem Wochenende.
Außerdem sollten alle Mitspieler „träumen“, also ihre eigene Szene in einer kleinen Gruppe von fünf bis sieben Personen bekommen. Auch das wurde möglichst reibungslos über die Bühne gebracht. Hier flogen nur ein bisschen die Fetzen ;)

Offensichtlich und richtig flogen sie erst am zweiten Abend, an dem sich zwei der wenigen Kämpfe abspielten und durchaus so gekämpft wurde, dass man die sprichwörtliche Fetzen fliegen sehen konnte. Natürlich wurde niemand verletzt – doch die Show war unglaublich.
Habt ihr schon einmal gesehen, wie sich zwei Katzen prügeln? So richtig? Wo Fellbündelchen langsam zu Boden segeln und dergleichen?
Und wenn man sich nun vorstellt, wie sich zwei Leute, Klauen statt Finger gegenseitig anspringen und aufeinander einprügeln... nein, nicht in Realitas. Zumindest nicht ernsthaft, sondern im gestellten Kampf. Trotzdem ein klassisches Szenario im Sinne des „Fetzen fliegens“...
Einfach nur Wow.

Hier starben dann auch zwei Charaktere.
Nein, nicht die Spieler, nur die Rollen bekamen ihren Heldentod.

Nicht lange danach löste sich die Gesellschaft der Monster auf und fiel in Form übermüdeter Menschen wieder in ihre Betten. Ein kleines Kuchenintermezzo mit Sahne später - lieben Dank an mein Sternchen - war auch bei uns Ruhe.
Nur um rechtzeitig wieder aus dem Haus zu sein, denn wie bei einem Hotelzimmer war bereits im Vorfeld klar: Um 11 Uhr muss die Bude geräumt sein.

So harmlos wie der ganze Spaß nun klingt – er war es in gewisser Weise auch.
Wir brauchten zwei Tage, um wieder halbwegs klar denken zu können und das Schlafdefizit soweit aufzuholen, dann aber freuten wir uns auf den nächsten Abend.

Und dieser kam.

Und ein weiterer wird folgen.

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