Dienstag, 10. Mai 2016

Das Wildschwein und die Orga


So begab es sich, dass sich ein Team aus etwas mehr als einem halben Dutzend Leuten zusammenfand, ein Con zu leiten. Doch hatte die Umwelt diesem eine Beschränkung auferlegt:
Wildschweine!

Kurz gesagt war ich wieder einmal umworben, Spielleitung auf einem der Cons von "Zwischenreiche" zu sein. Mach ich ja gern, ihr habt ja durchaus schon einige Geschichten gelesen...
Irgendwie merke ich allerdings, dass das Hobby wesentlich ungefährlicher war, als ich noch als Spieler unterwegs war! Was allerdings nichts mit der Orga zu tun hat., vermute ich, eher damit, dass ich nun schon ein Jahrzehnt in diesem Hobby verbringe und wir doch sehr oft draussen unterwegs sind.

Dachte ich schon, dass die Geschichte mit der Klippe halbwegs einmalig gewesen sein muss, so hat das Schicksal diesmal noch einen draufgelegt. Ich kann mit Fug und Recht behaupten: In dieser Freizeitbeschäftigung erlebt man was. Manchmal auch Dinge, von denen man hofft, dass sie einem nicht nochmal begegnen. Aber wir haben es alle überlebt, insofern können wir alle drüber lachen und ein großartige Anekdote draus machen. (Huch, ein Reim!)

Ähm...
Das war jetzt immer noch nicht kurz, ich weiß ;)

Was also ist diesmal passiert?
Ich kam gemütlich auf dem Gelände an - das im Übrigen wirklich wunderschön ist - und wurde mit dem üblichen Geknuddel und Gewurschtel begrüßt, das dieses Hobby so mit sich bringt. Wie es sich gehört, und wie es auch gut so ist. Macht ja Spaß. Neben dem grundsätzlichen auf-Stand-bringen kam so auch der Hinweis der Stadtverwaltung zur Sprache:
Nicht nur, dass man unsere Haupt-Orga bis zum Bürgermeister durchgestellt hatte, um unser Dort-sein abzusegnen. Was im Übrigen selten vorkommt, immerhin sind wir ja keine Nazi-Demo oder ähnlich gefährliches.
Nein, auch der Hinweis, dass zur Zeit gejagt werde. Auf Wildschweine.
Der Hinweis unserer Orga, dass wir doch bitte nicht erschossen werden wollen, wurde gütlich aufgenommen. Allerdings sollten wir doch bitte unsere Spieler darauf hinweisen, dass sie nicht vom Feld in den Wald robben mögen oder umgekehrt. Die Gefahr sei doch recht hoch, dass einer der Jäger "mit lockerem Finger" unsere Spielerschaft dezimiere.
(Damals hielt ich das noch für einen Witz – seit ich zwei Katzenwesen kenne, von denen eins sehr überzeugend auf die Jagd geht, nicht mehr… und im Übrigens ist die Urban Legend über den Zigarette rauchenden Puma auch wahr...)
Sehr beruhigend jedenfalls.

Wenig zufällig hatte unsere Haupt-Orga auch erwähnt, dass wir eine Art "Nachtwanderung im Wald" veranstalten wollten, was zur Kenntnis genommen und nicht weiter kommentiert wurde.
Jeder, der grundsätzliche Ahnung von größeren Wildtieren und Wald hat (wir nicht so sehr, ich gebe es ja ungern zu), wird jetzt vermutlich ein bisschen grübeln. Wald. Nachts. Wildschweine... ?
Nun gut, wir hatten weniger Ahnung und haben zumindest die Felder ringsherum erstmal als Spielgebiet ausgeschlossen - betreten hätten wir sie ohnehin nicht dürfen, aber so gab es einen deutlichen Grund dafür. Schadet ja nichts, einen wirklich greifbaren Grund zu haben.

Problem eins also gelöst.
Oder auch nicht.
Wie üblich, und wenn möglich, beschlossen wir eine allgemeine Begehung der sogegannten "Anreise". Wenn bei einem solchen Con das Spiel läuft und die Charaktere den Ort des Spiels erreichen, gibt es meistens ein Stück Weg zum Einstimmen. In diesem Fall sollten neben ein paar Stelen eventuell auch Gegner gezeigt werden.
Damit jede der Spielleitungen wenigstens ungefähr weiß, wo langegangen wird, werden diese Wege vorher begangen. Ich gebe zu, ich verfranze mich trotzdem gelegentlich, aber die Vorbegehung ist sehr hilfreich um Orientierungspunkte zu finden.
Also - 6 Leute, 7 Leucht-Bänder (6 plus Hund), Taschenlampen klar und ab auf den Weg.

Hier stellen wir eine Stele hin, und da könnte man... hast du das auch gehört?
- Da war nichts.
Oh ... und hier könnte man auch...
- Hast du das gehört?
Aaaaaaach... !

Ihr könnte euch ungefähr vorstellen, wie ein paranoider Sechserpack Spielleiter sich gegenseitig noch paranoider macht.
Bis zu dem Moment, in dem wir in den Wald abbogen. Da ich relativ vorsichtig an Steigungen bin, bin ich bei solchen Aktionen meistens das Schlusslicht.
Es raschelt, unser Leitstern bleibt stehen. Es ist ruhig im Wald, so ruhig ein Wald nunmal sein kann. Allgemeines Schulterzucken folgt, "wahrscheinlich war da eh nichts", und wir hörten auch weiterhin nichts.

Wir tapsen also durch die Nacht, schön in Zweierreihen, da es sich anbot, bis...
... sich die ersten zwei schlagartig umdrehen.
Und das Rennen anfangen.
Und an mir vorbei hetzen.
Und ich mich instinktiv dranhänge.
Bis wir alle sechs auf dem Feld stehen und japsen.

Sagen wir es so:
Es war sich niemand so ganz genau sicher, was gesehen wurde. Und es wollte auf dem dann spontan beschlossenen, kurzen Rückweg auch niemand mehr ins Detail gehen.
Was das braunhaarige, dünnbeinige und vor allem niedrige Etwas wohl gewesen sein mag, was da von irgendwo oberhalb vom Hang heruntergekommen ist und mächtig geraschelt hat...

Am nächsten Tag saßen wir ergo nach einer Einkaufsrunde der Orga zusammen und grübelten. Die Einkaufsrunde hatte eine Jägerbekanntschaft gezeitigt, die uns - wie schon fast zu erwarten gewesen war - erklärte, dass wir vollkommen falsch reagiert hatten.
Bei einem Wildschwein soll man sich ruhig und gelassen wegbewegen. JA. RUHIG und GELASSEN. Und wenn's auf einen zurennt, ab auf den Baum oder einen Stein oder dergleichen. Könnte sein, dass man da ein bis zwei Stunden verbringt und mit Glück das Tier mit den Füßen abwehren kann.
Sehr beruhigend.

Eine weitere Geländebegehung zum Verteilen der Stelen ergab dann weitere Lektionen im Spurenlesen. Pferd, Reh, ... Liegestelle, ...
Und als es dann nicht weit von uns im Gebüsch raschelte, wieder alles sprang...
und es doch nur ein Reh war...
... hatten wir genug.

Sagen wir es so: Es hat niemand auch nur mit einem Murren dagegen gestimmt, die Stelen und alles drumherum in minimaler Entfernung, an die übersichtlichsten Stellen und auf die größten Waldwege zu deponieren.

Das reduzierte unser Spielgebiet auf geschätzt die Hälfte oder ein Drittel - interessanterweise haben wir aber auch kein einziges Mal gehört, dass ein Spieler sich ohne Gruppe und unangekündigt oder nachts alleine in den Wald getraut hätte.
Offensichtlich war die Erwähnung bei der ersten Ansprache des Tages, wie man den Tieren begegnen solle, ausreichend ;)

Für die Zukunft wissen wir aber:
- Jäger sind ein nettes Völkchen. Ausser man kriecht im Pelz durch's Feld. Auch ausserhalb der Schonzeiten ist es nicht empfehlenswert.
- Wildschweine sind meistens nur anhand der Spuren sichtbar. Wenn du das Schwein an sich siehst, ist die Kacke ohnehin am Dampfen.
- Ist die Kacke am Dampfen, hilft langsam entfernen, wahlweise auch dem Schwein im Sprint wild Haken schlagend auf einen Stein oder Baum ausweichen und abwarten, dass es verschwindet.
- Muss man auf das Schwein warten, kann das auch mal länger dauern.
- Wenn die Spielleitung sagt "Geh nicht alleine in den Wald", hat sie ihre Gründe dafür. Und manchmal sind diese Gründe graubraun und im Zweifelsfall schneller als du. (Wobei ja immer noch die Meinung vorherrscht, dass man nicht schneller sein muss als das Tier – nur schneller als das Schlusslicht der Gruppe…)


Und noch einer hinterher - ein sinngemäßes Zitat ob unseres Altarsteines (ein 3-D-gedruckter, hohler Diamant mit sehr heller, blauer LED...)  belauscht am Lagerfeuer einer kleinen Gruppe:
Was ist das da hinten?
- Ein blaues Licht.
Was tut es?
- (schaut) Nichts, glaub ich, es leuchtet blau.
Aber was ist es?
- Ein blaues Licht.
Es muss doch was tun!
- Blau leuchten?
Gehen wir nachschauen?
- Nachts? In den Wald? Zu ZWEIT?
Hm. ... Okay, lieber nicht.

Und da soll man als SL ernst bleiben...
(Es handelt sich um In-Jokes und Situationskomik, falls du nicht darüber lachen kannst ;) )

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