Montag, 6. Mai 2013

Verzichtbar?

"Vom Notwendigen
zum Brauchbaren
über das Luxusgut
zur Völlerei"

Das waren meine ersten Notizen, als ich mich mit dem Stichwort der "Geplanten Obsoleszenz" beschäftigte. Sie passen zum Folgenden, also habe ich sie als kleinen Einstieg stehenlassen.

Ich habe mir einige Zeit schon Gedanken darüber gemacht, was notwendig und dergleichen bedeutet.
Immerhin streiten und scheiden sich die Geister darüber. Einzelne Forscher sind der Meinung, dass ein Existenzminimum keine 300 oder 400 Euro umfassen muss. 132 Euro tun es, so die Presse, und sie rechnen es vor:
In der Süddeutschen: Provokante Hartz-IV-Studie
Stern: So sollen 132 Euro im Monat reichen

Die Streiterei, dass dies kein lebenswertes Dasein ermöglich, sondern nur ein Überleben, können diejenigen bestätigen, die trotz sparsamer Lebensführung am Ende des Monats feststellen müssen, dass es für die neue Brille, den dringend benötigten neuen Rechner, die neue Matratze oder auch den letzten Wocheneinkauf eben nicht mehr reicht.
Auf der anderen Seite heißt es, dass extreme Managergehälter ebenfalls gerade so ein Überleben ermöglichen. Und es wird vorgerechnet - und im Letzten ist es nachvollziehbar.

Aber woraus ergeben sich solche Unterschiede?
Es erscheint mir simpel: Es ist die Frage nach der Notwendigkeit.

Wo ein Stück Seife und ein Eimer warmes Wasser ausreichen könnten, werden Vollbäder eingelassen und teure Shampoos gekauft. Wo eine normale Schule ihren Sinn erfüllt, und eventuelle Sonderbeschulungen besonders bleiben, braucht es in der Theorie keine Privatschulen.
Das Mittelalter kam mit Asche zum Haarewaschen und groben Getreide zum Essen aus. Warum wir nicht?
Weil wir eine ziemlich dekadente und auch noch eine Wegwerf -Gesellschaft geworden sind.

Die Zeiten, in denen Sparen für alle - möglichst zum Wohl der Gemeinschaft, aber zumeist zum eigenen Wohl und für schlechtere Zeiten - sinnvoll war, sind vorbei. Das Geld auf den Banken ist ebenso wenig sicher wie der Wert desselben; Arbeit sucht man heutzutage ab einem gewissen Punkt vielleicht - aber findet, insbesondere bei höherer Bildung, aber auch höherem Alter, keine mehr. Vorbei sind die Zeiten, in den Erfahrung, Können und Wissen einen Menschen ausmachten, inzwischen ist es sein Marktwert.
Der im besten Fall die Lebenskosten trägt, doch zumeist nur mehr der Industrie dient. Beständigkeit zählt nichts mehr. Egal, ob kurzlebig, alles soll schnell und ertragreich sein.

Privatschulen vermitteln in der Theorie das gleiche Wissen wie eine vergleichbare, normale Schule, und doch sind sie teuer und selten anderen als der Elite zugänglich. Selbst unter den Eliten gibt es Eliten, die geradezu zu Höchstleistungen gefordert, gepeitscht werden, die Lehrer und schlimmstenfalls die Eltern ebenso im Nacken. Damit sie Eliten bleiben.

Völlerei galt in früheren Zeiten als Sünde, doch letzten Endes geben wir uns alle ihr mit Wonne hin. Oder weil es so verlangt und erlernt ist. Völlerei im Arbeitsmarkt - der Arbeitgeber verliert sich in den Massen leicht verfügbarer Arbeitskräfte und kann sich aussuchen, zu welchen Löhnen er einstellt. Er wird ja immerhin jederzeit einen Dummen finden, und sei dieser nur verzweifelt genug, um das Arbeitsangebot anzunehmen.
Völlerei im Sinne der Konsumentenmoral: Hat man früher argwöhnisch überprüft, was man bekommt, ist es nun schwer, aufwendig und/oder teuer, ein Produkt zu erhalten, von dem man genau weiß, was es enthält oder wie es funktioniert.

Das war eigentlich die Idee dieses Artikels - Geplante Obsoleszenz.
Doch während der Recherche fiel mir immer mehr auf, dass es nicht nur seitens der Industrie so ein Phänomen gibt. Es besteht auch unter den Menschen. Hier wird ebenso weggeworfen - sei es der Drucker, der seine Sollzahl an Seiten produziert hat und eigentlich noch mehr könnte, oder der gut ausgebildete Büroarbeiter, der mit Kreativität und Engagement doch noch mehr könnte als Abheften und Stapeln, bis zur nächsten Tariferhöhung.

Was kann ein elitär gebildetes Kind besser als ein vergleichbar intelligentes aus einer anderen Herkunft? Zumeist nichts, er hat vielleicht mehr Wissen, doch das "ärmere" (es sei dahingestellt, in welcher Hinsicht) hat vermutlich mehr Erfahrung im Überleben, Teilen und Handeln.

Die Leute, die ein bedingungsloses Grundeinkommen fordern, führen meist an, dass man sich hier aussuchen könne, bei wem und zu welchen Bedingungen gearbeitet werden könnte. Potentiale könnten sich hier freier entfalten, ebenso die Löhne mehr den Fähigkeiten und der geleisteten Arbeit angepasst werden.

Sie alle aber vergessen, dass wir in einer Gesellschaft erwachsen werden, die das Etikett der Verzichtbarkeit einzelner schon (zu?) lange trägt. Wir alle haben gelernt, wegzuwerfen und dann zu vergessen. Was wir wegwerfen, verschwindet für uns zumeist in einem Nirvana. Zwar können wir es wissen und in vielen Fällen ist es Teil des Allgemeinwissens - doch es ist wie mit Fleisch auf dem Teller. Dass es einmal Teil eines Rindes oder Schweins (oder eines anderen, vielleicht freundlichen, aber in jedem Fall lebenden Wesens) war, vergessen wir leicht und gern.
 Alles nach uns ist nicht mehr von Bedeutung. Nicht mehr notwendig.


Dass das nicht auf Menschen zutrifft, ...

... haben wir vergessen.
Scheint zumindest manchmal so.

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