Montag, 15. Oktober 2018

Zwischenreiche 3.1: Bis einer weint

... oder auch zwei.

Es war mal wieder Con.
Soweit nix neues, auch nicht, dass ich wieder einmal die Damen und Herren von Fordanum besucht habe, und dieser Besuch - wie so oft - etwas besonderes war und Tränen beinhaltete.
Das klingt seltsam?

Ist es gar nicht.
Und stand schwer unter dem Zeichen des Satzes "IT-Gefühle sind real."
Ich fange heute ausnahmsweise mal mit dem persönlichen Teil an und arbeite mich dann (hoffentlich ;) später in die üblichen Verdächtigen. Vielleicht auch in den Bereich "Warums gut so ist." Erwartet also eine dicke Portion an Persönlichem. Auch werde ich hauptsächlich bei dem Plotthema bleiben, das mich am intensivsten mitgerissen hat unter denen, die ich mitbekommen habe.
Vorneweg für diejenigen, die noch nicht vertraut sind mit dem Begriff LARP - das hier geschilderte ist in vielerlei Hinsicht einfach nur Spiel. Mehr dazu - wie das alles funktioniert, warum es Spaß macht - findet ihr auf der entsprechenden Blogseite und in einigen Artikeln hier.

Aber zum Thema.
Ich weine viel und oft, wenn ich emotional bin: Aus Freude, Wut, Trauer, ...
Inzwischen weiß die Spielleitung (kurz: SL) (insbesondere eine, nicht wahr, Chris? ;) von Fordanum das auch. Zwei vorherige Cons gingen im Bereich der persönlichen Plots mit Tränen zu Ende. Übermüdung, große Emotionen und teilweise völlige Überwältigung durch die Spielsituation begünstigten es, und ich habe mich ohne Zwang und zutiefst berührt immer wieder dafür bedankt. Das Team kennt mich inzwischen eine Weile, und mit ihren liebevoll gesetzten und gestalteten Charakterplots treffen sie unglaublich oft Nerven und Motivation ihrer Spieler (und wie ich glaube, auch oft der NSC).
Dementsprechend hatten wir schon ein bisschen gewitzelt, aber der sich entwickelnden IT-Situation und dem sich immer noch entwickelnden Charakter ist geschuldet, dass es auch so weit kam. Und dem Team, dass es sehr positiv ausging.


Der Auftakt

Nach einem liebevollen Teaser, der - wie so oft - schon den Nerv traf und mich motivierte, auch die letzten Teile der neu zusammengestellten Gewandung noch in letzter Minute fertig zu machen, fuhr ich also mit Freunden und Freuden auf den Con. (Hier nochmal ein dickes Danke an Tobi und Birgit, die mir mit der Organisation dessen eine große Freude gemacht und eine Menge Zeit geschenkt haben.)

Ich war sehr schnell in den Plot involviert und alsbald bis zum Hals in der Geschichte. Eine Dorfbevölkerung mit ungewöhnlichen Ansichten, ein zu schnell gewachsener Baum, in dem eine Seele zu stecken schien, ...
Wie bei Fordanum üblich war es eine Vielfalt an Geschichten, die alle Aufmerksamkeit im Spiel bündeln können und damit eine dichte Atmosphäre von Anfang an aufbaute. Zwar setzt es voraus, dass man sich darauf einlässt, aber ich habe es nie schwierig gefunden, das Spiel bei diesem Team zu erleben und zu gestalten.

Ich freundete mich sehr schnell mit den Ideen der Dorfbevölkerung an, beteiligte mich an den großen Fragerunden. Sehr bald wurde untereinander, unter uns Gästen klar: Da stimmt etwas nicht. Nicht im negativen Sinne - so wie man es kennt. Die Dorfbewohner vermittelten ein sehr idyllisches Bild. Unter den Spielern wurde es schließlich als "elysisch" bezeichnet, derart rund und ohne jede Aufregung oder Konflikt schien dieser kleine Haufen Dörfler.
Hinter deren Rücken tuschelten wir Spieler, bereits von diesem Eindruck leicht paranoid.

Die Geschichte mit dem zu schnell gewachsenen Baum ließ uns dennoch keine Ruhe. Nicht allzu weit entfernt davon hatten wir ein Skelett gefunden, dessen Geist(?) schrie, und das schließlich verschwand.
Der Baum hingegen trug ein Hemd, schien eine Seele zu enthalten und auch sonst wenig (bis auf die Form) mit einem normalen Baum gemein zu haben. Auch die Eile seines Geistes - quasi ein "Ich komm zu spät, ich muss mich beeilen" - gab weitere Rätsel auf.
Er stand Gegensatz zu den Auskünften der Dörfler, ein Samen werde auf eine Person aufgesetzt, die gestorben sei, und diese so dem Kreislauf zurückgeführt. Außerdem trügen diese "Begräbnisbäume" keine Kleidung - "unser" Baum jedoch trug ganz selbstverständlich Hemd.
Es dauerte nicht lange, bis die ersten Mordverdachte aufkamen. Wilde Theorien blühten, aber letztlich blieb offen, wohin es ging. Ob überhaupt diese ganze Geschichte in unserer Hand liegen konnte, oder ob es noch andere Elemente gab, die darauf einwirkten.


Verletzliche Opfer?

Spätnachts schließlich traf ich mit meinem Charakter auf einen ersten der großen emotionalen Wendepunkte: Ein Baby. (Ehe ich jetzt Leute schreien höre: Natürlich nur eine Puppe ;)

Entsprechend dem Ritus des Dorfes lag dieses auf einer Decke am Schrein der Dorfgottheit, genannt der "Wächter". Dort über eine Nacht ausgesetzt sollte damit dem Wächter das Neugeborene vorgestellt werden, ein Ritual zur Aufnahme in die Dorfgemeinschaft. Am nächsten Morgen sollte dann quasi eine Art Taufe durch den Hohepriester des Ortes stattfinden. Besagter Schmied würde die Zeremonie durchführen.
Diese geheiligte Stelle allerdings war ebenso kalt wie die gesamte Nacht - Tau lag eiskalt auf der Decke und auch wenn das Baby als durch den Wächter warm und behütet (erklärt) war, gab es keine Möglichkeit diese Kälte zu leugnen.
Vom Bürgermeister jedoch per Handschlag auf das Gastrecht festgelegt und damit auf die Maßstäbe eines möglichst geringen Eingreifens war nun guter Rat teuer. Niemanden, mit dem ich in dieser Szene gesprochen habe, ließ die Situation kalt. Gestandene Krieger zögerten, bevor sie in dem Bewusstsein gingen, dass es eigentlich nichts zu tun gab und trotzdem ein Impuls da war, einzugreifen. Eine Mitreisende - Lyanna - beschäftigte sich ebenfalls damit und unterstützte meinen Eindruck. Der Schmied versicherte uns zwar, es wäre alles in Ordnung, aber war ihm denn zu trauen?
Auch blieb der erbetene Segen des eigenen Gottes aus... verhindert oder doch nicht nötig?

Mit dem unguten Gefühl meines Charakters im Nacken bezog ich mein Bett. Die Nacht war kurz und mit ein bisschen Erheiterung hörte ich die Kinder der einen Spielergruppe draußen rufen, dass sie ein Baby gefunden hätten - unser Zimmer lag direkt oberhalb des Schreins.


Der Verdacht ufert aus

Der nächste Morgen des Spiels begann mit einer zwar recht einsamen, aber doch stimmungsvollen Zeremonie. Langsam entfalteten sich die verschiedenen Stränge der Geschichte. Trotz vieler Gespräche blieb es bei bei einer allgemeinen Paranoia gegenüber den Dorfbewohnern. Wir löcherten sie mit Fragen, fanden kleine, durchaus plausible Widersprüche und diskutierten im Kreis.
Die gemeinsame Andacht am Mittag sähte weitere Verdachtsmomente, als der Schmied vom Wächter Unterstützung forderte. Angesichts dessen, dass das Dorf behauptete, es sei quasi deren Gottheit, wunderte es mich, dass er das Wesen so respektlos ansprach, und ich war damit nicht alleine. Auch Lyanna war darauf aufmerksam geworden. Doch niemand war in der Lage, den Glauben der Dörfler zu erschüttern. Keiner von uns konnte außerdem dem Schmied etwas Böses nachweisen.
Als schließlich außerhalb unserer Sichtreichweite der Wächter auftrat und sich für die Respektlosigkeit entsprechend gewaltsam bedankte, löste sich die Versammlung auf. Offenbar hatte einer der Besucher vor dem Wesen nicht den Blick gesenkt und sich dafür eine ordentliche Tracht Prügel abgeholt.

Hinter dem Rücken des Schmieds kochten mehr und mehr die Gerüchte und Argumente hoch. Unsere eigenen Lager teilten sich in jene, die nichts unternehmen und sich heraushalten wollten, in die, die den Schmied beseitigen wollten und schließlich diejenigen, die abwarteten, ob noch eine größere Ursache gefunden werden würde.


Opfer

Der Glauben der Dorfbewohner wankte auch nicht, als ein krank erscheinender Mann am Rande des Dorfes erschien. Völlig entkräftet, gleichzeitig aber dann doch dringlichst darum bemüht das Dorf zu besuchen, kroch er richtiggehend den Waldweg entlang. Wir - Lyanna und ich - sammelten ihn auf. Eine kurze Untersuchung ergab nur, dass er nicht krank, sondern nur geschwächt war. Während wir noch darüber rätselten, wie wir ihm helfen könnten, kristallisierte sich nach und nach heraus, dass er draußen unterwegs gewesen sei und nun hoffte, den Schmied zu treffen. Der Mann namens Adam  gehörte ins Dorf, verließ es aber als Händler regelmäßig. Er hatte sich mit einem Wirt, der seine Waren kaufte, getroffen und dieses Treffen hatte beiden einen schweren Kater eingehandelt. Deswegen war er zu spät. Wo normalerweise ungefähr ein Ausflug von einem Tag gereicht hatte, waren es mehr geworden, wohl ungefähr zwei.
Erste, wenn auch sehr leise Alarmglöckchen begannen in meinem Hinterkopf zu läuten: Zu spät... Das hatten wir schon einmal...
Während ich bei ihm saß, suchten andere den Schmied. Sie alle, auch Lyanna kamen ohne Ergebnis zurück. Ich hielt den Händler am Reden, in der Hoffnung, dass er sich erholen würde, dass sich irgendeine Lösung auftäte oder wir auch den Schmied rechtzeitig finden würden.

Immer wieder bat uns Adam darum, dass er mit dem Schmied beten wolle. Die Andacht gebe ihm so ein gutes Gefühl. Den Schmied hatte jedoch seit einiger Zeit niemand mehr gesehen. Wir saßen in einer Zwickmühle.
Ich fühlte mich an das Gastrecht gebunden, wollte also dem Charakter nicht erlauben, besondere Kräfte zu nutzen. Meine Mitreisende sah das etwas lockerer, insbesondere, als dem Mann Zweige aus der Weste sprossen. Sie versuchte, den Mann zu stärken, das schien jedoch nur das Wachstum des Baumes zu beschleunigen. Sie versuchte, Energie fortzunehmen, lockte einen Teil des Wachstums in ihre Hände - trotzdem schien auch das nicht zu helfen.
Nun wurde klar, was es bedeutete, zu spät zu kommen. Als Dörfler nicht an der Andacht teilzunehmen. Der Baum im Wald war ein Rückkehrer gewesen, der es nicht rechtzeitig geschafft hatte.

So saßen wir neben dem Händler, ein Stück weiter die Dorf-"Oma", während er nach und nach erstarrte - und quasi zum Baum wurde. Adam freue sich bestimmt, dass er so nah an der Taverne bleiben dürfe... Während die alte Dörflerin in Erinnerungen und Sentimentalitäten aufging, kroch mir das Entsetzen in den Nacken, zusammen mit dem Gefühl, versagt zu haben. Dem rationalen Teil in mir war klar, dass es Teil des Plots war, dass es vielleicht sogar hatte passieren müssen in gewisser Weise. Der Charakter jedoch war anderer Meinung.

Eine erste Träne rollte, gut versteckt von meinem Schleier. Die Trennung von Baum und Seele war vermutlich unmöglich. Er war uns quasi unter den Händen gestorben.
Dieses elysische Dorf war ein goldener Käfig - verließen sie ihn längere Zeit, verbrachten sie nur einen kompletten Tag ohne ihre Andacht, starben die Dörfler oder wurden Bäume. Was war der Kern dessen? Der Schmied? Oder doch der Wächter? Und was würde mit uns Gästen geschehen, die wir das Gastrecht akzeptiert hatten?
Der Druck wuchs und ich versuchte Lyanna zur Aktion zu bewegen.


Vergangenheit versus Gegenwart

Es war eine ungerichtet und ungezielte Aktion, daraufhin in den Wald zu gehen und irgendeinen, einfach nur irgendeinen Weg zu finden, das Problem zu lösen. Für meinen Charakter, für mich, stand fest, dass - wie auch immer machbar - der Bann über die Dorfbewohner gelöst werden müsste.

Während wir neben einer Zeremonie für den alten Weg zur Verehrung des Wächters warteten, die eine andere Gruppe begonnen hatte, brach schließlich ein Konflikt mit Lyanna auf. Sie hatte im Vorfeld einen Brief geschrieben, der voller Entschlossenheit und Zuversicht gewesen war auf den weiteren, gemeinsamen Weg - und verweigerte sich nun. Die erste Antwort darauf, dass der Brief so stark und mutig gewesen war, zerstörte jegliche Illusionen: Sie wisse eh gar nicht mehr, was sie im Brief geschrieben habe, sei das ohnehin überhaupt von Bedeutung?
Die Aussage traf tief. Nicht nur der Charakter war schockiert, auch ich. Es klang, als habe sie nur Worthülsen geschwungen um sich der Mitarbeit zu versichern.

Ich drehte mich um und machte mich auf den Rückweg ins Dorf - hier gab es nichts mehr zu bewirken. Ich spürt, wie sich die fatalistische Stimmung verstärkte und einen ersten Gipfelpunkt fand, als ich in einen Räuber hineinlief.
Durchaus charmant und mit freundlichen Worten stellte er sich als Bruder der schwarzen Klinge vor. Das Dazutreten seiner Kumpanen und die durchaus wohlgewählten Worte machten aber deutlich, dass hier nicht der Charme im Vordergrund stand. Völlig im Charakter verwoben entspann sich mir eine List, wie ich diese Leute loswürde. Zwar zupften sie an Gürteltasche und Heilerbeutel, doch keine der Münzen darin klimperte. Purer Zufall. In der Gürteltasche befanden sich Bonbons, an der Halskette ein Kristall. So bot ich beides feil - den Stein als "feinsten Bergkristall" - stieß auf Erheiterung und Akzeptanz der "Ware" und kam so ungeschoren aus der Sache wieder heraus.

Nach diesem Aufschwung setzte ich mich erstmal. Eine Weile Ruhe gab mir einen ersten Einblick in das, was da gerade passiert war. Das minderte zwar das Zähneknirschen nicht, aber es machte mir klar, dass ich definitiv tief in den Anschauungen des Charakters steckte. So gesehen nichts schlechtes, aufregend in jeglicher Hinsicht, aber auch schwer greifbar.

Eine Erinnerung, zu meiner Überraschung die Erinnerung des Charakters kam hoch, als mich einer der herangetretenen Krieger nach dem Vorfall befragte.

Ich - vielmehr ja mein Charakter, aber dann doch ich selbst - erinnerte mich daran, dass sie in ihrer Jugend auf der Straße ähnliche Listen benutzt hatte. Charme, gespielte Leichtigkeit sowie Lug und Betrug hatten ihr einen Vorteil verschafft.

Es lief mir kalt den Rücken herunter, als mir klar wurde, dass der Charakter hier in ein altes Muster verfiel. Jedoch war es eines, das ich nie wirklich gespielt oder im Detail ausgeführt hatte. Die Sache setzte sich fort, denn ein nächster Gesprächspartner kam ebenfalls auf die Räuber zurück und philosophierte mit mir fröhlich über das doch so mühelose Geschäft der Quacksalberei. Der Charakter fand erst, und dann auch nur teilweise, zu seiner üblichen Linie zurück, als das Thema auf wirkungslose Mittel für Todgeweihte kam. Denn dies war - endlich - eine Grenze, die auch sie nicht zu überschreiten wagte.


Das Schicksal ruft

Das Gespräch wurde unterbrochen von dem Ausrufen einer weiteren Andacht, eine, die außer der Reihe stattfinden würde. Auch die plötzliche Eile war verwunderlich. Und zudem sollte sie nur die Dorfbewohner betreffen - wo wir bei der ersten Andacht des Tages schon fast mit Nachdruck dazu gebeten worden waren, schien man uns nun mehr oder minder zu trennen. Irgendetwas war also im Gange, und in dieser gaunerischen Laune mischte ich mich einfach unter die Dörfler.
Die Eile spiegelte sich dann auch prompt in der Andacht wieder. Ohne wesentliches Federlesen kam der Schmied zur Sache, forderte das Gebet - und wurde noch in der ersten Zeile von einem wütenden Wächter unterbrochen, der ihm auch direkt an die Gurgel ging.

Mit Hilfe der Gruppen und der Zeremonien des alten Ritus im Wald hatten sich die Fesseln soweit gelockert, dass sich das Wesen gegen den Schmied durchzusetzen vermochte. Mehrere Leute wurden in den Kampf verwickelt und so fanden auch die Schmiedelehrlinge den Tod. Der Schmied indes floh - auch wenn er nur knapp mit heiler Haut davonkam.

Die Dorfbevölkerung stand indes vor den Scherben ihres Daseins - kein Schmied mehr, kaum verwurzelt der Glaube an den Wächter allein und nun mit noch einem Problem mehr konfrontiert:
Einem Samen, der zu keimen begann.
Ab sofort würde es keine Andachten mehr geben. Ab sofort war das elysische Dasein nur noch ein bloßes, normales Dorf, beschützt - mehr oder minder - von einem Naturwesen. Niemand (offensichtliches), der das Sprießen aufhalten könnte.
Angst machte sich unter den Dorfbewohner breit und während die Erkenntnis nach und nach tiefer sickerte, wurde Verzweiflung daraus. Der Wächter - so ihre Überzeugung - würde ihnen nicht helfen.
Ich war die wohl einzige, die dort am Schrein zwischen ihnen blieb.
Was konnte ich tun?


In den Abgrund und wieder zurück

Neben mir bemühte sich die SL redlich, mir einen Tipp zu geben, aber ich stand vor einer Wand. Einer verdammt dicken: Angesteckt von den Dörflern mischten sich Wut, Verzweiflung, ihre Angst und zornige Frustration - und ich gab es auf. Mir war von einem Moment auf den anderen klar, dass ich diesen Moment nicht lösen können würde. Dass der Charakter ebenso vor einer Wand stand wie ich - eigentlich noch schlimmer - und dass diese Wand bliebe, bis ich eine Idee hätte.
Ich heulte Rotz und Wasser. Und tat dann das, was mir in diesem Moment als sinnvollste Lösung erschien: Ich brach das Spiel ab.

Die Reaktion von Chris war souverän - er nahm mich verbal am Kragen, setzte mich an den geerdetsten Ort der ganzen Veranstaltung und ließ mich da inmitten des Teams runterkommen. Natürlich wuselte es im Headquarter, aber es war jene Betriebsamkeit, die für den realen Teil des Events verantwortlich ist. Eine Betriebsamkeit, mit der ich vertraut war und bin, und die das ihre dazu beitrug, mich auf den Boden zu holen.
Klare Worte wurden getauscht. Im Kern: "Die Emotionen des Charakters sind real. Es sind deine." Ich wusste das auch da schon, aber es war eines der ersten Male. Ein Taschentuch wechselte den Besitzer. Ich lachte und weinte zugleich.
Der ohnehin geplante Einsatz des Charakters von Chris war schließlich das Zuckerli, das den letzten Ausschlag dafür gab weiterzumachen. Ich würde - wahrscheinlich zumindest - die Möglichkeit bekommen, mit dieser Emotion zu spielen.

Ich verzog mich wieder zum Schrein. Die Dörfler waren bereits gegangen, ich war allein in der Nacht. Ringsum war es bis auf das Plätschern vom Bach still. Es dauerte nur Sekunden, bis die Szene wieder da war und die Tränen flossen.

Ich hatte nicht das Gefühl, dass Chris es forcierte - stattdessen mit dem Elfen wie zu einer anderen, früheren Gelegenheit ruhige und klare Worte fand und mir den Halt gab, den es brauchte, um wieder aufzustehen und wenigstens grundlegend weiter zu machen. Den Charakter wieder auf die Füße zu stellen und ihm einen Halt zu geben. Zwar fiel es mir nicht leicht, aber trotzdem sah ich zu, wie mein Charakter an Boden gewann und schließlich wieder den Weg in das umgebende Geschehen betrat.

Auch da floss noch die eine oder andere Träne. Und ich fand heraus, dass mein Charakter zu einem mir unglaublichen Maß an gerechtem Handeln fähig ist - denn Lyanna bat mich, bei einer Reise ins Totenreich mit auf sie und ihre Mitreisenden zu achten. Da war kein Widerwille, nur ein bisschen Zorn, und ich tat es. Stellte mich zu den anderen Wächtern und spielte mit. Es dauerte nicht lange, alle kamen heil zurück und ein weiteres Artefakt der Conreihe war gerettet.

Die Nacht war immer noch sehr kalt und so verzog ich mich nach dieser Szene in die Taverne, um dort der Musik zuzuhören. Ohne es sofort zu bemerken, setzte ich mich an den Tisch, neben dem Lyanna und der Elf miteinander sprachen. Als ich es mitbekam, war es im Grunde zu spät - und irgendwie schien es auch den Charakter nicht mehr wesentlich zu kümmern. Zwar wütend, aber keineswegs mordlustig, reagierte ich dann auch, als Lyanna schließlich zu mir kam und ankündigte, man müsse miteinander reden. Der Elf machte sich derweilen nach draußen auf.

Und wir redeten. Beinahe bis die Taverne leer war. Und auch hier flossen Tränen, jedoch nicht nur von mir. Mir wurde klar, dass im Charakter noch so viele Dinge stecken, die verschiedenste Impulse geben und gleichzeitig grausam emotional zu mir sein können.

Schlussendlich erreichte mich die gute Nachricht der Dorfbewohner - es werde ihnen geholfen und man finde den Glauben an den Wächter zurück. Bald darauf schwappten ein paar Gerüchte an mir vorbei, die sich um Zeremonien zu dieser Sache drehten und allgemeine Beruhigung trat ein. Plötzlich war es ein Abend wie jeder andere auch - bis auf ein paar feuchte Augen.

Ein Happy End.


Fazit

Alles in allem war der Con atmosphärisch gesehen extrem dicht und mitreißend. Die Spielleistung der NSC war grandios, und auch die Essenspausen haben das nicht gestört. Ich bin mir nicht sicher, wie diese extreme Dichte entstanden ist, aber ich weiß eines sehr genau:
Ich war selten so lange so dicht an dem Charakter, den ich zum Con mitgenommen habe. Die Menge der erlebten Emotionen war enorm und auch die Lehren, die ich aus dem Spielabbruch und der Reaktion der SL darauf gezogen habe, halte ich für sehr wertvoll. Nicht nur für mich, sondern auch für spätere SL-Arbeit und viele Situationen im Privatleben.
Irgendwie bin auch stolz, dass ich die Gelegenheit hatte diese Erfahrung zu machen, und ... hm... nicht stolz? Wohl eher Glücklich, dass ich Menschen kenne, mit denen aus dieser Erfahrung im Grunde nur positives hervorging.

Ich habe zwar schon auf dem Platz (hoffentlich) jedem Beteiligten Danke gesagt, aber ich möchte das auf diesem Wege wiederholen: Dankeschön.
Es war eine großartige Zeit, die mir, meinem Spiel und meinem Charakter eine Menge offengelegt hat. Es war ein großes Erlebnis, mit schlichter Basis, aber tiefgehendem Geschehen, das mich einfach mitgerissen hat.
Ich bin unglaublich dankbar für das Abholen in einer Situation, der ich mich nicht mehr gewachsen sah, und der Hilfe, das einfach im Spiel weiter bearbeiten zu können, anstatt mit dem heftigen Gefühl nach Hause zu gehen. Und natürlich bin auch dankbar für Taschentücher ;)

Und natürlich schließe ich mich den anderen Spielern an:
Wann ist das nächste Mal Fordaaaanuuuuum? ;)

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