Sonntag, 30. September 2018

Mehr Flauschiges: Wie man Königsmäntel fälscht

Es war einmal ein Seidensamtmantel und eine Tascha in Berlin, die wollten zusammen eine Fürstin werden...

Hermelin**, das war der Wunsch auf beiden Seiten, und Kunstfell sagte die Börse, und so war der Entschluss bald gefasst und eine Menge Geld ausgegeben.

Und so begann die Mission aus einem hübschen Samtmantel ein Monstrum zu machen.

Wer den Artikel eins davor gelesen hat, kennt auch das Material schon ;) Nun aber zu den Details! Achtung, nach dem Break gibts einiges an Fotos!
Was soll ich sagen...
Der Mantel kam hier in einer Kiste an, ungefähr anderthalb Schuhkartons groß. Zurückgeschickt hab ich ihn (zusammen mit ein bisschen anderem Zeug) in einer kleinen Umzugskiste, insgesamt 9kg schwer. Der Mantel darin hat vermutlich rund 5kg ausgemacht, ein Gewicht, das sich alle Beteiligten nicht vorstellen konnten, als die Planung begann.

Geplant waren geschätzt 7-8m Fellborte in Hermelinoptik, 25cm breit. Dazu ein paar Erweiterungen nach vorn, um den Mantel bequemer zu gestalten.


Es wurden dann auch geschätzt 8m Fellborte, jedoch nur 13-15cm breit (ihr werdet sehen, dass das völlig ausreicht!), mit 79 "Hermelinchen" (also den schwarzen Punkten) besetzt. Plus ein paar kleinere Restaurationsarbeiten.
Mit denen solls jetzt erstmal losgehen, danach gibt's eine Anleitung, wie man Hermelin fälscht, und einen Blick auf das Ergebnis ;)

Ich rupfte also vorsichtig die alte Borte runter (die man übrigens im Artikel über Kunstfell ganz unten auch nochmal sehen kann) und begann mit einer groben Besichtigung dessen, was mich darunter erwartete...



Der Schaden war nicht enorm, aber dennoch sichtbar. Nach der wenigen Zeit des Tragens hatte der Mantel einiges an Samtfasern verloren - die Kanten, an denen das Fell aufgelegen hatte, waren im Grunde nackter Trägerstoff. Glücklicherweise nichts, was akut zu reparieren oder zu restaurieren gewesen wäre. Denn hier sollte die neue Fellborte drüber. Trotzdem - auf beiden Seiten war das Erstaunen groß. Denn der hier rechts gezeigte Schaden war unter der Fellborte entstanden. Der Trägerstoff scheint die Fasern abgefressen zu haben. Diese Seite kam nämlich nie mit dem Boden in Kontakt.


(Soll ja Leute geben, die meine Begeisterung für Wonderclips nicht teilen - hier ist der Beweis, dass ich auch Stecknadeln benutze wo Stecknadeln gebraucht werden...)


 Nicht zuletzt eine kleine Flickstelle am Kragen, die allerdings auch verdeckt werden würde. Diese ist derart massiv vernäht und verblendet, da sie weiterhin einen Gutteil des Gewichtes vom Mantel wird tragen müssen und vermutlich auch genau deswegen gerissen war. Die alte Fellborte hielt die Stelle gut zusammen - die neu eingesetzte Blende wird nun vermeiden, dass die neue Borte den Stoff wieder beschädigen kann.

Damit war der Mantel soweit sauber und bis auf ein paar kleine Löcher auch gut genug geflickt, um sein neues Material zu bekommen: Eisbärfell. ;)


Nur für die Idee, was es bedeutet, sein Nähmaschinenfüßchen im Fell zu verlieren...
Aber da sind wir schon einen Schritt zu weit. Denn: Zuerst brauchte es den künstlichen Hermelin.






Man nehme: Einen Streifen Eisbärfell und ein bisschen schwarzes Zottelfell. Die Naht rechts ist übrigens eine der Verlängerungsnähte - und trotz des kontrastfarbigen Garns weit entfernt davon, auf der anderen Seite gesehen werden zu können.
Dann gehts brutal weiter:







Das Fell wird von hinten mit einer Klinge (in meinem Fall ein Stück Cutter) aufgeschlitzt. Sehr beliebt dafür ist auch eine Rasierklinge, die auf einen Korken längs aufgesteckt wird. Mir persönlich aber war eine Klinge lieber, die eine stumpfe Seite besitzt ;)
In den Schlitzt steckt man Fell voran den kleinen, schwarzen Flicken. Am besten so, dass nirgends nennenswerte Mengen an Fell rausschauen. Die lange Seite des Flickens zeigt in die Richtung, in die später das Hermelinschwänzchen (denn genau das wäre es real) hängen soll. Achtung: vernäht man es senkrecht dazu, sieht es einfach nur seltsam aus. Deswegen vorher definitiv drüber nachdenken!


Dann gehts ans Nähen. Für mich hat sich das Setzen von drei bis vier losen Stichen ein paar Millimeter vom Rand bewährt, die man anschließend festzieht. Man sollte nicht zu weit ins Fell hinein arbeiten, aber auch wiederum nicht so nah an den Rand stechen, dass der Faden ausreißt. So werden beide Felle fest miteinander verbunden:



Nähen, nähen, nähen, bis man einmal rum ist, und dann wieder zur Mitte der langen Seite. Denn nun folgt ein Trick, der verhindert, dass es größere Verwerfungen im Fell gibt. Kleiner gibt's trotzdem, aber immerhin kann man damit die großen Wellen vermeiden.
Die Mitte des eingesetzten Stücks wird lose vernäht. Dadurch drückt sich das schwarze Fell ein Stück nach außen und wird dadurch etwas plastischer. Außerdem ergibt sich ein eher gerader Fall des Basisfells.
Vernähen - und fertig ist ein Hermelinchen.
Für die Rechner unter uns: Pro Hermelinchen habe ich mindestens 15 Minuten gebraucht. Wie lange hab ich also mindestens an dem Vorbereiten der Borte gesessen?*

Aber wir sind ja noch nicht fertig.



Jetzt wird der ganze Spaß erstmal umgedreht.
Wie man auf dem linken Bild sieht, bekommt man dabei erstmal einen wurschteligen Fellbobbel. Mit der Bürste glattgestrichen wird es dann ein langer Fellbobbel. Das schwarze Fell habe ich nach dem Schneiden und vor der Verarbeitung erstmal ausgekämmt - und in der Bürste sieht man das Ergebnis von einem vorsichtigen Schnitt.
Nun könnte man damit zufrieden sein. War ich aber nicht, also habe ich noch einen Schritt drangehangen:


Der Unterschied ist dezent, beträgt aber tatsächlich rund zweieinhalb bis drei Zentimeter.
Ich habe die Haare wie zu einem Irokesenschnitt hochgekämmt und zusammengedreht. Dann kann man den Bausch vorsichtig mit der Klinge kürzen. Vorsichtig deswegen weil nicht nur die Finger auf dem Spiel stehen. Auch sollte der Schnitt nicht einfach glatt und gerade sein, sondern ein wenig gestuft.
Weil man leider für diesen Schritt beide Hände braucht, gibt es keine Bilder davon...

Aber von dem Ergebnis:


Zweimal zwei macht vier...
Und noch ein paar mehr...
(Rechts übrigens der Part, der am Kragen entlang zum Boden läuft - und: alle Hermelinchen sitzen in der gleichen Richtung auf.)
Und weil ich ja schon über Wonderclips geschwärmt habe:


Der untere Rand des Mantels.

Und, im Direktvergleich - neue und alte Borte. Mehr Breite und es hätte den Mantel völlig erschlagen.


Ein Gesamtfoto fehlt leider noch bzw. die Genehmigung dafür - drückt mir die Daumen, dass wir das Monstrum mal im Ganzen hier zeigen können! :)


*Für unsere Rechenkünstler:
15min bei 79 Hermelinchen macht logischerweise 1185min und damit rund 20h Arbeit.

**Unnützes Wissen: Hermelin
Original bestehen Krönungsmäntel nicht nur aus Hermelin. Im Falle des Winterhermelins - also dem mit dem weißen Fell im Winter und naturfarbenen im Sommer - handelt es sich um relativ seltene Exemplare, wenn sie rein weiß sind. Das Fell neigt eher dazu, etwas gelblich zu sein und wurde oft auch gebleicht. In vielen heutigen Krönungsmänteln sind zudem andere Tierarten mit weißem Fell verarbeitet. Auch die Tatsache, dass die Felle sehr leicht vergilben und damit dann einen schwer zu entfernenden Gelbstich annehmen, bedingt, dass Winterhermelin keine Massenware ist. Das hielt die Industrie nicht davon ab, eine Zeitlang weißen Hermelin stark in Mode zu bringen. Aus dieser Zeit sind kleinere Prunkstücke, Muffs, aber auch Mäntel bzw. Jacken erhalten.
Die schwarzen Punkte sind eigentlich die schwarzen Schwanzspitzen der Hermeline. Auf älteren Darstellungen und auf Nahaufnahmen mit den Mänteln erkennt man, dass es kleine schwarze Troddeln sind und keineswegs Tupfen. Hier wurde auch in früherer Zeit oft anderes Fell verwendet als dass des Hermelins, da manche der Schwänze simpel nicht verwendbar waren, aber dennoch die schwarzen Tupfen als Statussymbol gebraucht wurden.

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