Das Gutshaus Gantikow, Teil der sogenannten Offenen Häuser, befindet sich im Raum Kyritz, für die weniger nördlichen wie mich grob Richtung Berlin.
Das Haus ist, wie man auch auf den
Bilder auf deren Homepage sehen kann, ein wunderschönes, altes
Gebäude mit Garten. Es ist liebevoll und detailliert bemalt, so dass
die Mär herumging, es sei von einem Einsiedler bewohnt gewesen, der
schließlich verrückt wurde. Zwar sind die Bedingungen für die
Miete etwas streng, das macht allerdings das Ambiente um Längen
wieder wett.
Es lohnt sich, dort mal vorbei zu
schauen oder ein paar Nächte zu verbringen.
Warum erkläre ich das alles und was
zur Hölle hat das mit der Überschrift zu tun?
Das ist eigentlich ganz simpel. Ich
habe hier ja bereits von meiner Leidenschaft des Live-Rollenspiels
erzählt. Einer der ersten Berichte spielte sich hauptsächlich des
Tages und in einer Herr-der-Ringe ähnlichen Fantasy-Welt ab. Solche
Events finden auch als aufeinander aufbauende Serien mehrmals im Jahr
statt und sind jedesmal ein Highlight.
Nun gibt es allerdings noch weitere
Genres. Eines davon: Vampire: The Masquerade.
Ursprünglich ein System für
Tisch-Spiele gibt es auch eine Live-Variante davon und es trafen sich
bei uns in Gantikow rund 60 Personen, um gemeinsam zu spielen und
Spaß zu haben. Wie der Name schon sagt: Es geht um Vampire.
Normalerweise handelt es sich um einfache Abende, doch dieses Mal
hatten wir ein Haus, ein Wochenende und Leute aus ganz Deutschland.
Bilder kann ich bis auf die
Einzelportraits von mir leider aktuell keine zeigen, da die Bilder im
Interesse der Fotografierten geschützt sind.
Aber ich bemühe mich, für euch die
Atmosphäre solcher Events auferstehen zu lassen:
Wie immer – hätte uns jemand
„normales“, also außenstehendes, dort beobachtet, wäre er
durchaus zu dem Schluss gekommen, dass sich dort irgend etwas
seltsames abspielt. Tagsüber ein Haufen leicht zerstörter,
übermüdeter Typen, die sich fröhlich unterhalten – abends eine
Ansammlung von Horrorgestalten, Ladys und Gentlemen.
Leicht zerstört und übermüdet
deswegen, weil wir allgemein erst am Freitag anreisen konnten und es
beispielsweise für uns Regensburger einfach sechs Stunden Fahrt
bedeutete. Andere kamen noch später, weil sie bis mittags
arbeiteten. Wenn man sich nun überlegt, dass die Nacht hindurch, bis
ca, 4 Uhr morgens gespielt wurde, das Frühstück in
Gemeinschaftsarbeit allerdings um 9 Uhr begann, kann sich vorstellen,
wie viel Schlaf wir bekommen haben.
Aber wir alle wissen: Letzten Endes
unterstützt es nur den „untoten“ Eindruck.
Denn die Vampire dieses Genres sind
nicht nur einfache Blutsauger, sie sind auch Intriganten, Monster,
Politiker... organisiert in einem Verband, im Großen und Ganzen nur
regiert von sechs einfachen Regeln – deren Bruch allerdings „Kopf
runter“ bedeuten kann.
So bewegt man sich auf einem unsicheren
Pflaster so zwischen diesen ganzen Leuten, und da dieses Event
buchstäblich nur für die Mächtigen und Alten gedacht war, auf
einem gewissermaßen explosiven noch dazu.
Und da haben wir die Ladys – in
Abendkleidern und mit Schmuck, dass es nur so glitzert, mit
unverschämten Ausschnitten und in hohen Schuhen -
da haben wir die Gentlemen – im Frack
oder im einfachen Anzug, im Gehrock, mal mit Pfeife, mal mit Zigarre,
aber selten ohne Gehstock -
da haben wir die Horrorgestalten –
verformte Masken und lange Nasen, Fell und Federn im Gesicht und mit
furchterregenden Klauen -
Alle in einem Haus mit Garten,
eingesperrt durch die Maßgabe des Gastgebers, kein Blut zu vergießen
außer im Ehrenduell.
Dass bei diesem Kostümaufwand kurz vor
dem „Time-In“, dem offiziellen Beginn des Spiels, Panik
ausbricht, war zu erwarten und auch diesmal wieder der Fall.
Immerhin, der guten Organisation unserer Küchenchefin hatten wir zu
verdanken, dass alle, die wollten, etwas zu essen bekamen. Außerdem
hatte die Leitung des Events dafür gesorgt, dass die Öfen gut
geheizt waren – etwas zu gut für den Geschmack einzelner, aber was
solls.
Letzten Endes waren wir glücklich, wie
es wohl Garfield gewesen wäre, nach einer guten Portion Lasagne auf
dem Fernsehsessel.
Keine gute Startphase für solch ein
Spiel ;)
Scherz beiseite, allein bei den
Begrüßungen ergibt die Spiel-Etikette einen Rahmen, der das
Szenario weit mehr als nur unterstützt. Verbunden mit einem solchen
alten, doch irgendwie surrealen Haus war es ein interessantes
Spielerlebnis. Ich weiß nicht, wie oft ich draußen stand, auf
jemanden wartete und mich nicht wirklich langweilte, weil ich das
Haus betrachtete.
Dementsprechend flogen die Fetzen.
Beileibe nicht immer offensichtlich und direkt so, dass man annehmen
könnte, es gäbe gleich Tote. Aber manches Wortgefecht, ruhig und
scheinbar sachlich geführt, konnte einem die Nackenhaare aufstellen
allein durch seine Bedeutung.
Noch blieb es recht ruhig, bis auf ein
paar kleinere Wortgefechte.
Doch der nächste Tag wartete schon.
Mit Spätzleschaben, einem Spielleiter im Baum, Wäschekörben voll
Salat und der bekannten Panik kurz bevor es wieder los geht.
Bemerkenswert: Vermutlich alle haben
sich vegetarisch ernährt an diesem Wochenende.
Außerdem sollten alle Mitspieler
„träumen“, also ihre eigene Szene in einer kleinen Gruppe von
fünf bis sieben Personen bekommen. Auch das wurde möglichst
reibungslos über die Bühne gebracht. Hier flogen nur ein bisschen
die Fetzen ;)
Offensichtlich und richtig flogen sie
erst am zweiten Abend, an dem sich zwei der wenigen Kämpfe
abspielten und durchaus so gekämpft wurde, dass man die
sprichwörtliche Fetzen fliegen sehen konnte. Natürlich wurde
niemand verletzt – doch die Show war unglaublich.
Habt ihr schon einmal gesehen, wie sich
zwei Katzen prügeln? So richtig? Wo Fellbündelchen langsam zu Boden
segeln und dergleichen?
Und wenn man sich nun vorstellt, wie
sich zwei Leute, Klauen statt Finger gegenseitig anspringen und
aufeinander einprügeln... nein, nicht in Realitas. Zumindest nicht
ernsthaft, sondern im gestellten Kampf. Trotzdem ein klassisches
Szenario im Sinne des „Fetzen fliegens“...
Einfach nur Wow.
Hier starben dann auch zwei Charaktere.
Nein, nicht die Spieler, nur die Rollen
bekamen ihren Heldentod.
Nicht lange danach löste sich die
Gesellschaft der Monster auf und fiel in Form übermüdeter Menschen
wieder in ihre Betten. Ein kleines Kuchenintermezzo mit Sahne später - lieben Dank an mein Sternchen - war auch bei uns Ruhe.
Nur um rechtzeitig wieder aus dem Haus zu
sein, denn wie bei einem Hotelzimmer war bereits im Vorfeld klar: Um
11 Uhr muss die Bude geräumt sein.
So harmlos wie der ganze Spaß nun
klingt – er war es in gewisser Weise auch.
Wir brauchten zwei Tage, um wieder
halbwegs klar denken zu können und das Schlafdefizit soweit
aufzuholen, dann aber freuten wir uns auf den nächsten Abend.
Und dieser kam.
Und ein weiterer wird folgen.
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