Achtung – der folgende Text enthält für die Mitspieler der NlC-Vampire-Live-Runden Spoiler und Zusatzinformationen. Wer ihn dennoch liest, tut dies auf eigene Verantwortung.
Dem ist offensichtlich nicht so.
Ich kann nicht behaupten, dass die Szene und das Wochenende
an sich nicht lohnend gewesen wären. Ein bitterer Nachgeschmack bleibt dennoch.
Wie einer der Spielleiter zu mir sagte: Du wirst eine Menge darüber nachdenken,
was falsch gelaufen ist.
So unrecht hat er da nicht. Allerdings gibt es einige
Punkte, von denen ich weiß, dass sie nicht meinen Erwartungen entsprechen. Für
diejenigen, die wissen wollen, was ich gespielt habe, und wo meine Kritikpunkte
liegen, aber auch für mich selbst, habe ich die Sache einmal zusammengestellt.
Claire hat als Charakter irgendwann um 2010 angefangen. Es
war ein sogenannter One-Shot, ein Charakter, der nur einmal oder sehr selten
auftritt und im Grunde keine besondere Rolle im Weltgefüge spielt. Im Grunde
hatte ich auch nicht mehr an sie gedacht.
Dann kam es in einem Gespräch zu dem Punkt, dass ich einen
neuen Charakter erhalten sollte. Ich greife in dieser Hinsicht ungemein gern
auf Oneshots zurück, bieten diese doch eine Grundlage, auf der man aufbauen
kann. So wurde Claire zu einem „richtigen“ Charakter. Als Oneshot ohne Werte
stieg sie über ein paar Umwege auf zu einer Brujah mit Geschichte, Profil und
einigem Machtpotential.
Claire war als Brujah ein Dickkopf, hatte ein grundlegendes
Aggressionspotential, eingedämmt durch einen komplexen Kodex von
Verhaltensregeln aus dem Bushido, Satanismus und dergleichen mehr. Nach außen
hin öfter ruhig, nach innen hin in vielen Fällen genervt oder unter hohem
Erfolgsdruck. Mit übersteigerten Ehrbegriffen versehen, griff sie in vielen
Fällen nicht durch – der freie Wille als Maxime.
Das Ende begann mit einer Verknüpfung. Verknüpft wurden
Ismail Suredin, ein Ventrue mit militaristischem Hintergrund, die „Order“ und
Claire: Als Söldner angeworben begab sie sich in einen Krieg, wurde gefangen genommen
und konnte schließlich flüchten. Claire kämpfte die nächsten 20 Jahre mit den
Folgen dieser Gefangennahme, bis sie wieder in die Gesellschaft zurückkehrte –
ernster, kälter und finsterer als zuvor.
Diese Episode definierte in vielerlei Hinsicht ihre
Entscheidungen und Ansichten. Der Camarilla, dem politischen System,
verpflichtet, folgte sie ihren eigenen Wegen der Ehre und verärgerte damit in
vielen Fällen ihre Umgebung. Trotzdem lernten sie ein paar Personen schätzen,
insbesondere, nachdem sie ihre Persönlichkeit begannen zu verstehen.
Auf einer Hofhaltung in Hamburg indes passierte es jedoch,
dass sich der totgeglaubte Suredin und Claire wieder begegneten. In der Folge
gruppierte man sie wieder in die Order ein – überfordert von der Situation und konfrontiert
mit ihren Erinnerungen widersprach sie nicht sofort.
Stattdessen erhielt sie einen Ausbilder, der bis auf eine
Unterlassung und seinen eigenen Schutz nichts beizutragen schien, und eine
Degradierung in den untersten Rang. Für einen Charakter, der sich gegen Folter
und Terror über Monate hinweg gewehrt hatte, war das ein schwerer Schlag gegen
das Ego und seine Begrifflichkeiten.
In der Folge wehrte sie sich jedoch. Die zweifelhafte Natur
ihres Ausbilders, die politische Entwicklung und weitere Faktoren verschärften
den Konflikt zwischen ihren Ansichten und den wenigen ihr bekannten Richtlinien
der Order. Ihr Einwirken war dezent, aber brachte immer mehr Leute auf die Spur
der Order, teils ohne zu wissen, dass Claire dazugehörte.
Bis zu dem Tag, an dem der Konflikt derartige Ausmaße
annahm, dass es Zeit zum Handeln war. Sie schrieb eine militärische Anzeige, legte
ihre Beobachtungen dar – und bekam prompt die Rechnung dafür.
Zu einem Treffen gezwungen, eingekesselt in Ordermitglieder konfrontierte
man sie mit Allgemeinvorwürfen und Feststellungen, zu denen ihr der Bezug
vollkommen fehlte. Bereits nach diesem Nervenkrieg war sie gereizt genug, dass
man ihr nicht zuhören wollte, dass sie auch die verhandelnde Dame nicht
sonderlich höflich behandelte. Dabei stellte sich heraus, dass man zwar ihre
Anzeige angenommen, nicht aber gelesen hatte. Dementsprechend wurde dieser
Punkt ebenfalls behandelt.
Die Raserei war nicht weit entfernt. Und sie brach durch,
als man sie vom Gehen abhalten wollte. Gegriffen, gefesselt werden, rief
Erinnerungen wach, die nichts weiter auslösten als einen reinen Angriffsinstinkt.
Mitnehmen, töten, was zu töten ist.
Trotz ihres Potentials gelang es den Anwesenden sie
festzuhalten, ihrem Kampf etwas entgegen zu setzen. Nach einigen Minuten hatten
sie ein Einsehen, ließen sie los. Doch im Grunde war das Los gefallen – man
würde ihr Ehrgefühl, ihre Treue und ihren Mut hier nicht schätzen, sondern
brechen und zugrunde richten.
Das bewies auch der Vertrag, der ihr nun zugeschoben wurde.
Mit Blut solle er unterschrieben werden. Schon das Überfliegen brachte Punkte
ans Tageslicht, die sie so nicht akzeptieren würde oder konnte. Würde sie es
nicht unterschreiben, würde man sie töten.
Siegen oder Sterben. Aut Vincere, Aut Mori.
Sie wählte den Tod.
Mit einem Kotau kniete sie sich nieder – einer der
Orderleute entriss ihr ihre Seele.
Es war ein Niedergang, den sie für ihren eigenen Glauben und
ihre eigenen Maßstäbe zu erleiden bereit war: Ganz wie ein Krieger.
Warum aber war diese Szene ein Problem?
Was hier nicht erwähnt ist, ist beispielsweise die Vielfalt
der Pläne und Unternehmungen, die möglich sind, einen Charakter in eine
bestimmte Situation zu bringen. Es war bekannt, in welchem Bereich sich der
Charakter bewegt und abzusehen, dass er Widerstand leisten würde. Ebenso wäre
auf Nachfrage immens leicht feststellbar gewesen, dass der als „blaues Auge“
bezeichnete Vertrag zu Widerstand führen musste.
Ein Charakter, der sich unter Folter über Monate an seinen
Statuten festgehalten hat und es gewohnt ist, dem Tod ins Auge zu blicken, wird
nicht wegen einer solchen Lappalie nachgeben.
Nicht nur die Tatsache, dass am selben Tag ein weiteres
Spiel stattfand – an dem der Charakter hätte teilnehmen sollen und für den kein
Ersatz vorhanden war – auch hatte ich nachgefragt, inwieweit ich eine
Fairkill-Warnung (die Ankündigung des Charaktertodes im Falle, dass konsequent
auf der bestehenden Linie weitergespielt wird) zu erwarten hätte. Nein, wurde
mir erklärt, das ginge schon alles in Ordnung.
Während der Szene wurden drei Fairkill-Warnungen
ausgesprochen, die nicht nötig gewesen wären, weil sie in den Aussagen der
Charaktere impliziert waren. Es war offensichtlich, wie die Szene enden würde. Ich hatte bereits zu diesem Moment keine Gnade für
Claire erwartet und ich war nicht bereit, den Charakter auf eine Art zu beugen,
die mir nicht plausibel erschien – ich hatte gemeint, das wüssten die
Beteiligten.
Eine der goldenen Regeln des Vampire ist es, dem Charakter
lieber das Leben zur Hölle zu machen. Nicht die inneren Umstände zu ändern,
sondern die äußeren solange zu verdrehen bis der Charakter keine andere Chance
mehr hat als klein beizugeben. Ahnen, die mächtigsten Charaktere dieser
Spielwelt, sind in der Lage dazu. Umso größer der Triumph für den
machtausübenden Charakter – langfristig bringt ihm die Demütigung mehr ein als
ein Toter. Ein Toter kann keine Dienste mehr erfüllen oder Dinge herumerzählen.
Was ebenfalls nicht erwähnt ist, ist, dass ungefähr 15
Seiten Brief vorlagen. Ich hatte mich 2 Tage vorher mit den Begrifflichkeiten
auseinandergesetzt, die für einen modernen Menschen irreführend sind – eine „Anzeige“
beispielsweise bedeutet nicht, eine Person anzuschwärzen, sondern einen
dringlich erscheinenden Sachverhalt, der nicht an den nächsten Vorgesetzten
gehen kann, direkt an höhere Instanzen zu geben. Mag sein, dass das in einigen
Fällen ziemlich genau dasselbe ist, aber gibt es militärhistorisch gesehen eine Form dafür. Es hat mich
ungefähr einen kompletten Tag gekostet, eine sachliche Aussage daraus zu
machen. Sie enthielt neben Vorschlägen, damit umzugehen (und im militärischen
Sinne sind Vorschläge Vorschläge, keine Forderungen) noch weitere Hinweise auf
die Folgen.
Wurden diese Briefe überhaupt zur Kenntnis genommen? Ich als
Spieler konnte nicht darauf zählen, ganz im Gegenteil.
Offiziell wurde mir gesagt „das verändert die Szene noch mal
sehr!“ – davon war nichts zu spüren, außer dass der Angriff seitens der
Orderdarsteller umso nachdrücklicher ausfiel.
Die Folgen, die diese Briefe ankündigten, darf ich allerdings
aktuell selbst rausgeben. Der Tod des Charakters zieht eine Flut von Schreiben
nach sich, die in vielerlei Hinsicht dazu führen können, dass etwas in Bewegung
gerät. Ob das der Fall sein wird, wird sich zeigen.
Edit: Zu meiner Enttäuschung wurde auch diese Aktion SL-seitig gestoppt, bevor sie greifen konnte.
Edit: Zu meiner Enttäuschung wurde auch diese Aktion SL-seitig gestoppt, bevor sie greifen konnte.
Am Ende bleibt jedoch trotz allem „Oh“ und „Ah“ ein fader
Nachgeschmack des „Das hätte alles gar nicht unbedingt sein müssen.“
In Spielweltdaten:
Claire Friedrichs,
geboren am 06.06.1923;
gestorben am 06.06.1951, erschaffen als Mitglied des Clans
der Gelehrten;
vernichtet am 21.09.2014 durch die Order.
Möge ihre Seele vergangen sein.
Hier noch die Todesanzeige, die eine Spielerin vor Kurzem
liebevoll gestaltet hat:
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